Interview-Reihe „Hinter den Kulissen von PSYCHOnlineTHERAPIE“
- FAU - 

- 28. Dezember 2020

 

Interviewpartner: Evaluationsteam Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

 

Welche Rolle spielen Sie bei PSYCHOnlineTHERAPIE?

Wir sind das Projektteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Unser Schwerpunkt ist die wissenschaftliche Evaluation des Projekts PSYCHOnlineTHERAPIE. Das bedeutet, dass wir vor allem die Wirksamkeit der eingesetzten Behandlungsformen untersuchen. Dazu erheben wir mithilfe wissenschaftlicher Methoden Daten von den teilnehmenden Patient:innen und Therapeut:innen und werten diese anhand verschiedener Fragestellungen aus. Darüber hinaus sind wir Ansprechpartner für alle Fragen zur Studienteilnahme. 

Was bedeutet Evaluation?

Eine Evaluationsstudie untersucht die Wirksamkeit und assoziierte Folgen einer oder mehrerer Interventionen. Konkret bedeutet das im Falle von PSYCHOnlineTHERAPIE, dass wir mithilfe der Daten, die wir vor, während und nach der Therapie erheben, Informationen über die drei Therapiebedingungen (PSYCHOnlineTHERAPIEfix, PSYCHOnlineTHERAPIEflex und PSYCHOnlineTHERAPIEstandard) sammeln und diese miteinander vergleichen. PSYCHOnlineTHERAPIEstandard entspricht dabei einer sogenannten Kontrollbedingung – diese Therapieform ist bereits sehr gut wissenschaftlich untersucht und vielfach in ihrer Wirksamkeit bestätigt. Durch den Vergleich dieser etablierten Behandlung mit den beiden Varianten unserer neuen Therapieform (PSYCHOnlineTHERAPIEfix und PSYCHOnlineTHERAPIEflex) möchten wir herausfinden, ob diese beiden Varianten genauso wirksam sein können wie die Standard-Behandlung. Dafür werden beispielsweise Angst- und Depressions-Symptome vor und nach der Therapie gemessen und dann verglichen, ob die Veränderung (Verbesserung) der Symptome unter den Bedingungen ähnlich ist. 
Natürlich vergleichen wir dabei auch die zwei verschiedenen Varianten der neuen Intervention (PSYCHOnlineTHERAPIEfix und PSYCHOnlineTHERAPIEflex) untereinander und erheben nicht nur die Symptome der Patient:innen sondern darüber hinaus weitere Variablen auf die sich die Behandlung auswirken könnte oder die für die Wirksamkeit der Behandlung eine Rolle spielen könnten. Es geht also zum Beispiel auch darum, über welche Mechanismen die Behandlung überhaupt wirksam wird, unter welchen Bedingungen sie am effektivsten ist, welche Patient:innen am meisten und welche eher weniger profitieren und für welche Patient:innen eine der beiden Varianten vielleicht besser ist als für andere. 
Zwei weitere wichtige Bestandteile der Evaluation von PSYCHOnlineTHERAPIE sind die Überprüfung der Kosten-Effektivität der Behandlung und zudem auch zu erforschen, wie die neue Behandlung von Patient:innen und Therapeut:innen akzeptiert wird, wie das Nutzungsverhalten ist und welche hinderlichen und förderlichen Faktoren es bei der Implementierung in die bestehende Versorgungsstruktur in Deutschland geben kann. 
 

Was erhoffen Sie sich durch die Evaluation des Projekts PSYCHOnlineTHERAPIE?

Ganz allgemein gesagt, erwarten wir uns viele spannende Erkenntnisse für unseren Forschungsbereich. Die Evaluation einer neuen Therapieformen wie bei PSYCHOnlineTHERAPIE ist sehr wichtig, um festzustellen, in welchem Ausmaß diese wirksam ist, wie diese am besten in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Damit kann auf lange Sicht dann im besten Falle eine Verbesserung der bisherigen psychotherapeutischen Versorgung von Patient:innen in Deutschland erreicht werden. Verzahnte Therapieformen besitzen somit großes Potential – nicht nur im Hinblick auf eine optimierte Versorgung von Patient:innen sondern auch eine Erweiterung des Handlungsspielraums und die Entlastung von Therapeut:innen, die mit der Nutzung von digitalen Interventionen beispielsweise kürzere Wartelisten oder eine verbesserte Integration von Therapieinhalten in den Alltag von Patient:innen gewährleisten könnten. Aus den Ergebnissen der Evaluation von PSYCHOnlineTHERAPIE soll abgeleitet werden können, wie dieses vielschichtige Potential bestmöglich genutzt und gefördert werden kann. Darüber hinaus werden wir aus den Ergebnissen unserer Studie offene Fragen in unserem Forschungsgebiet beantworten können, was wiederum eine wichtige Grundlage für darauf aufbauende neue Studien sein wird, von deren Ergebnissen wiederum wertvolle Ableitungen für die Praxis und neue Forschung gezogen werden können und so weiter. 

Christian Hoherz
Theresa Sextl
Anna-Carlotta Zarski

Ist ein derartig großer Forschungsaufwand, wie er in POT umgesetzt wird, denn überhaupt notwendig?

Übergeordnetes Ziel des Projekts PSYCHOnlineTHERAPIE ist es, die psychotherapeutische Versorgung von Patient:innen mit depressiven Erkrankungen und Angsterkrankungen durch den Einbezug digitaler Behandlungselemente zu verbessern. Für den Einsatz solcher neuen Behandlungsformen ist es notwendig, die Wirksamkeit, die dahinterstehenden Wirkmechanismen sowie die Umsetzbarkeit und Akzeptanz genau zu kennen und zu verstehen. 
Nur durch eine systematische wissenschaftliche Evaluation nach hohen Qualitätsstandards können darüber fundierte Aussagen getroffen werden. Dazu gehört im Fall von PSYCHOnlineTHERAPIE zum Beispiel, dass wir unsere beiden innovativen Behandlungsformen mit einer bereits etablierten Therapieform vergleichen. Zudem können durch die Überprüfung der Kosten-Effektivität sowie die Untersuchung weiterer Einflussvariablen auf die Behandlung wichtige Erkenntnisse über den Einsatz von verzahnten Therapieformen gewonnen werden. Auch die Teilnahme möglichst vieler Patient:innen in der Studie kann die Aussagekraft der Ergebnisse erhöhen. 
Insgesamt gilt, je mehr Informationen wir sammeln, desto besser können wir anhand dieser bestimmen, wie verzahnte Therapien am besten umgesetzt werden können und wie deren Potential ausgeschöpft werden kann.

Welche Gefahren sehen Sie bei digitalen Anwendungen, die nicht evaluiert sind?

Bei digitalen Interventionen, die nicht wissenschaftlich überprüft wurden, fehlen die dringend nötigen Informationen über deren tatsächliche Wirksamkeit (zum Beispiel im Vergleich zu bisherigen Behandlungen, wie es bei PSYCHOnlineTHERAPIE untersucht wird). Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen auf welche Art und Weise eine Intervention am besten eingesetzt werden kann, ob diese überhaupt praxistauglich ist, welche Patient:innen davon profitieren können und für welche Patient:innen vielleicht eine andere Behandlung einen größeren Erfolg verspricht, aber auch, ob eine Behandlung vielleicht sogar negative Folgen für eine:n Patient:in haben kann. Diese Fragen bleiben bei digitalen Anwendungen, die nicht evaluiert sind, unbeantwortet. Um sicherzugehen, dass es keine unerwünschten und vielleicht schädlichen Effekte gibt, werden in unserer Studie beispielsweise mögliche negative Folgen während des ganzen Therapieprozesses überwacht und auch einige Monate nach Ende der Therapie noch Befragungen durchgeführt, um auch Langzeiteffekte der Behandlung festzustellen. Auch wenn man als Entwickler:in einer Intervention bereits viele Erfahrungen hat, die Behandlung auf bereits evaluierten Interventionen aufbaut und man daher begründete Vermutungen darüber aufstellen kann, dass die Behandlung wirksam und nicht schädlich ist, ist es wichtig, dies auch anhand einer genügend großen Stichprobe zu prüfen, da mit dem Ziel einer optimalen Versorgung nur durch eine wissenschaftliche Evaluation die dafür nötigen Erkenntnisse erhalten werden können.

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