Die fünf Wirkfaktoren der Psychotherapie

- 21. August 2021

 

Wieso funktioniert Psychotherapie eigentlich? Was führt dazu, dass es Personen mit psychischen Erkrankungen nach einer Psychotherapie besser geht? Nach dem Psychotherapieforscher Klaus Grawe gibt es fünf zentrale Wirkfaktoren, die zum Therapieerfolg beitragen: Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, motivationale Klärung, Problembewältigung und die therapeutische Beziehung.

Ressourcenaktivierung

Ressourcen ist ein Sammelbegriff für alle Stärken und das Potenzial einer Person. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie, bereits vorhandene Ressourcen zu stärken und auszubauen. Eine wichtige Ressource können z.B. zwischenmenschliche Beziehungen sein: Die Unterstützung von Familie und Freunden kann eine große Stütze darstellen.

Bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung bleiben solche Ressourcen oft ungenutzt oder werden erst gar nicht wahrgenommen. In der Therapie soll genau dies geändert werden. Angestrebt wird, dass Patient:innen ihre eigenen Ressourcen erkennen und sich selbst positiv erleben. Das wiederum kann positive Emotionen, ein verbessertes Selbstwertgefühl und Wohlbefinden auslösen.
 

Problemaktualisierung

Durch die Problemaktualisierung sollen Patient:innen ein besseres Verständnis für die Probleme im Rahmen ihrer Erkrankung bekommen. Im Sinne einer „Bestandsaufnahme“ sollen Patient:innen lernen, besser beschreiben zu können, in welchen Situationen welche Symptome ausgelöst werden. Dafür kann man zum Beispiel einfach die entsprechende Situation einmal aufsuchen und beobachten, was passiert und wie man sich selbst verhält.

Andere Möglichkeiten, das Problem im Hier und Jetzt zu untersuchen, sind Situationsanalysen, Protokolle und Stimmungstagebücher, Rollenspiele, Imagination und Verhaltensexperimente. Bei Menschen mit Depression beispielsweise kann es hilfreich sein, über eine bestimmte Zeit die Stimmung und Aktivitäten in einem Protokoll festzuhalten. So lassen sich Stimmungsschwankungen im Tagesverlauf oder wiederkehrende Verhaltensmuster erkennen. Verschiedene Therapieschulen greifen hier auch auf unterschiedliche Techniken zurück.

 

Motivationale Klärung

Ziel der motivationalen Klärung ist es, dass sich Patient:innen selbst über bewusste und unbewusste Ziele, Erwartungen und Werte klar werden. Diese Komponenten beeinflussen wie wir Situationen erleben, was wir empfinden und wie wir uns verhalten. Ein Beispiel: Menschen mit einer depressiven Erkrankung neigen dazu, Misserfolge sich selbst zuzuschreiben („Ich bin schuld, ich habe das falsch gemacht.“). Misserfolg wirkt sich dann negativ auf das Selbstbild aus, was wiederum negative Gedanken auslöst und zu der Aufrechterhaltung der Depression beitragen kann.

Im Rahmen der motivationalen Klärung in der Therapie erlangen Patient:innen Einsicht darüber, welche Erwartungen und Werte zu einem bestehenden Problem beitragen. Es wird ein Verständnis dafür geschaffen, wie es zu der eigenen Erkrankung gekommen ist und was diese aufrecht erhält. Auch die Motivation, überhaupt eine Therapie anzufangen, ist sehr wichtig: Welches Ziel wird mit der Therapie verfolgt? Es ist äußerst hilfreich, ein konkretes Ziel vor Augen zu haben, auf das man hinarbeiten möchte und das als Leitfaden dient.

 

 
Problembewältigung

Durch die Psychotherapie sollen Patient:innen aktive Hilfe dabei erhalten, Probleme selbstständig zu lösen. Dies ist ohne Kenntnis des Problems nicht möglich – die Wirkfaktoren gehen also Hand in Hand. Bei der Problemaktualisierung werden Situationen hergestellt, um ein bestehendes Problem immer wieder erlebbar zu machen. Im nächsten Schritt kommt die Problembewältigung ins Spiel: Patient:innen lernen im Rahmen der Therapie, mit ihren Problemen umgehen und diese selbst lösen zu können. Die Aufgabe von Therapeut:innen ist es, die Patient:innen dabei zu unterstützen, zum Beispiel durch Ressourcenaktivierung.

Es gibt verschiedenste Maßnahmen in den verschiedenen Therapierichtungen, um eine solche Hilfestellung zu geben. Beispiele sind die Anwendung von Entspannungsverfahren, Stressbewältigungs- oder Problemlösetraining und Strategien zur Emotionsregulation.

 

Therapeutische Beziehung

Psychotherapie findet immer im Rahmen einer Beziehung statt, nämlich zwischen Therapeut:in und Patient:in. Der Therapieerfolg hängt maßgeblich von der Qualität dieser therapeutischen Beziehung ab.

Kernaspekte einer guten Beziehung sind zum Beispiel Akzeptanz, aktives Zuhören und Empathie der:des Therapeut:in. Wie genau die Beziehung aufgebaut ist, hängt von der Therapieschule ab. Bei der Verhaltenstherapie nehmen Therapeut:innen zum Beispiel eine beratende und unterstützende Rolle im Sinne einer kooperativen Arbeitsbeziehung ein. Bei der analytischen Psychotherapie kommt Therapeut:innen stärker die Aufgabe des Beobachtens und Deutens zu, sodass sie eine etwas zurückhaltendere Rolle einnehmen.

Im Kontext von Internet- und mobile-basierten Interventionen konnten Studien zeigen, dass eine therapeutische Beziehung in diesem Format ebenfalls möglich ist. Auch hier gilt die therapeutische Beziehung als wichtiger Faktor für den Therapieerfolg.

 


 

 

 

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